Adieu – liebe Lady

2014-01-05-lady

Am 1. Mai Heute war Dein (mutmasslicher) Geburtstag und Dein Todestag gleichzeitig. 20 Jahre alt bist Du geworden, mein altes Mädchen, meine liebe Lady.
Vor 16 Monaten kamst Du zusammen mit Felix zu uns. Das Frauchen gestorben, das Herrchen gestorben und Du kamst ins Tierheim. Kein gutes Ort für Dich. Du hast die Welt nicht mehr verstanden und hast dort in der Personaltoilette des Tierheims nur gefaucht und Dich gefürchtet. Als Du zu uns kamst, bist Du auch erst einmal im Bettkasten verschwunden. Aber wir haben uns schnell angefreundet, weil Du gemerkt hast, dass ich auf Dich acht gebe. Dein Kumpan Felix hat Dich nicht so gut behandelt und Du warst dann eigentlich ganz froh, als er mehr draußen als im Haus war. Du warst zu allen freundlich, aber distanziert. Hast Deine kleinen Spaziergänge gemacht, ein bisschen Sonnenbaden, ein Häppchen essen, schön das Näschen putzen, das wars. Eine echte Lady eben.
Im Januar haben wir gemerkt, Du wirst so langsam tüddelig. Taub warst Du schon von Anfang an, aber Du wurdest langsam auch ein bisschen vergesslich. So hast Du nicht mehr gewusst, zu was ein Katzenklo da ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Du dann eben auf Krankenunterlagen pinkelst. Und das hast Du auch brav gemacht, meistens zumindest. Du mochtest Du nur ein Futter und das nur, wenn die Dose frisch auf war. Und hast fünf Minuten nach dem fressen schon wieder vergessen, dass Du ja schon gefressen hattest. Auch das war kein Problem für uns, wir haben Dir gerne paketweise Gourmet Gold gekauft. Die Katzenband hat sich gefreut, wenn sie die Reste dann fressen durfte. Aber es ging Dir noch gut, Du hast Anteil am Leben genommen, konntest Dich schmerzfrei bewegen und auch sonst war alles gut, dem Alter entsprechend.
Letzte Woche dann dachte ich schon, Dein letztes Stündlein hat geschlagen, Du bist gestolpert und umgekippt. Aber Du hast Dich wieder berappelt. Du hattest einen Schnupfen, Deine kleine Freundin Sofie hat Dich vermutlich angesteckt. Du bekamst Medizin und es wurde wieder besser. Ich habe noch eine ganz große Kiste Krankenunterlagen und 80 Dosen Gourmet Gold gekauft – ich habe noch mit Dir gerechnet. Gestern abend hast Du ein ganzes Döschen mit Appetit gefressen, bist rüber ins Katzenzimmer, wieder zurück, hast Dich geputzt und dann auf Deiner Decke zusammen gerollt. Wie immer eigentlich.
Heute am ganz frühen Morgen bin ich rein, wie immer habe ich mal nachts nach Dir geschaut, mit einem Happy Birthday auf den Lippen. Du lagst in Deinem Körbchen und hast geschlafen. Neben Dir Erbrochenes mit Blut, geronnenem Blut. Du mochtest nicht fressen und ich wusste, es ist so weit.
Heute war tagsüber kein TA da, erst abends. Ich musste heute kochen, wir haben ein Catering am Samstag. Aber ich habe alle halbe Stunde nach Dir gesehen, Du hast ruhig dagelegen, ruhig geatmet, keine Atemgeräusche, kein Wasser in der Lunge oder im Bauch. Dein Herzchen hat gleichmässig geschlagen. Ich hab Dich gestreichelt, Du hast geschnurrt und hast dann wieder geschlafen. Irgendwann bist Du in die Katzenhöhle umgezogen, Du wolltest Deine Ruhe. Nachmittags habe ich mich kurz hingelegt. Als ich wieder nach Dir gesehen habe, lagst Du im Klo, auf der Krankenunterlage und warst tot. Ich bin sicher, Du hast nicht gelitten. Du wolltest noch aufs Klo, das ging nicht mehr. Sterbende Katzen ziehen sich oft aufs Klo zurück, ich weiß nicht, warum. Auch wenn ich es schade finde, dass ich nicht bei Dir sein konnte, ich denke, Du hast das so gewollt. Wolltest eben ganz ladylike aus dieser Welt verschwinden.
Ich habe Dich dann noch lange im Arm gehalten, um ganz sicher zu sein, dass Deine kleine Katzenseele ihren Weg findet.
Du warst ein ganz feines Mädchen, ein richtiger Schatz. Auch wenn klar war, unsere gemeinsame Zeit wird begrenzt sein, weine ich um Dich. Ich werde mich nie an den Tod gewöhnen, obwohl er doch dazu gehört.
Jens hat Dich unter dem Kirschenbaum begraben, er blüht so schön im Moment. Der richtige Platz für Dich. In der Nähe von Felix, aber nicht zu nahe, nicht dass er Dich doch noch mal haut.
Noch nicht heute, aber sicherlich bald werde ich dankbar sein, dass sich mein Wunsch für Dich, hier in Deinem Zuhause in Frieden sterben zu können, erfüllt hat, auch ohne mich. Du hattest ein langes, überwiegend glückliches und gesundes Leben. Kein Grund traurig zu sein, dass es nun zu Ende ist. Und doch bin ich es.